Verhältnis Immobilienpreise - Bodenrichtwert
Im Austausch mit Freund*innen ist mir aufgefallen, dass sich die Immoblienpreise in deutschen Großstädten mit einer halben Million Einwohner und mehr aktuell gerade in schwächeren und mittleren Wohnlagen von den Bodenrichtwerten entkoppeln. Da die Bodenrichtwerte inzwischen fast überall jährlich von Expertengremien ("Gutachterausschüsse") auf Grundlage der in einer Gemarkung innerhalb der jeweiligen Verkaufsperiode erzielten Verkaufserlöse ermittelt werden, finde ich das sehr seltsam: Selbst wenn die Immoblienpreise innerhalb eines Jahres zweistellig steigen, müssten sie ja noch in einem Verhältnis zu den für die Vorperiode ausgewiesenen Bodenrichtwerten stehen.
Zu beobachten ist in den mir näher bekannten Städten (Leipzig, Hannover und Bremen) dabei übrigens, dass die Verkaufspreise in guten und sehr guten Lagen noch durch den Bodenrichtwert darstellbar sind. Zwei Beispiele aus Bremen:
Bremen Wachmannstraße (Stadtteil Schwachhausen, gute Wohnlage, Bodenrichtwert 2020: 710 €/m²):
EFH von 1975, stetig modernisiert, 160qm Wohnfläche auf 700qm Grundstück, gekauft in 10/2020 für 700 k (ohne Kaufnebenkosten), Modernisierungskosten: 150k, damit guter Wohnstandard u. Engergiestandard C (ca. 130kw/h m²)
Das Grundstück war damals also laut Bodenrichtwert 497k wert, für die Altbaubebauung wurden demnach gut 200k (bzw. 350k inkl. Modernisierung) bezahlt, also ca. 1250 Euro ohne bzw. 2200 Euro mit Modernisierung pro Quadratmeter.
Beispiel 2: Bremen, Mühlenhauser Weg (Stadtteil Rablinghausen, schwache bis mittlere Wohnlage, Bodenrichtwert 2020: 215€/m²)
Reihenendhaus von 1978, 130qm Wohnfläche, ebenfalls fortlaufend in Stand gehalten, 300qm Grundstück, gekauft in 06/2020 für 410 000 k (ohne Kaufnebenkosten), zusätzlicher Invest durch Familie: 80k, damit ebenfalls guter Wohnstandard u. Engergiestandard C (ca. 110kw/h m²)
Das Grundstück war laut Bodenrichtwert ca. 64 500 Euro wert, demnach wurden für die Altbebauung ca. 345 k (ohne Modernisierung) bzw. 425k (modernisiert) bezahlt, also etwa 2650 ohne bzw. 3270 Euro/m² mit Modernisierung.
Der Verkehrswert vom EFH in der guten Wohnlage liegt also in einer sehr viel besseren Verhältnis zum Kaufpreis als der Verkehrswert des Reihenendhauses in einer höchstens durchschnittlichen Wohnlage.
Somit bewährt sich auch im aktuellen Immoblienenboom die Binsenweiseheit von der Bedeutung der Lage (bitte nicht nur subjektiv, sondern auch mit Blick auf die harten Fakten der Grundstückswerte), zumal die Steigerungen der Bodenrichtwerte in den guten und sehr guten Wohnlagen im Vergleich zu den schwächeren Wohnlagen eher moderat ausfiel - auch der Verkehrswert dürfte also aussagekräftiger sein (und im Falle einer Krise wird erfahrungsgemäß zuletzt in den sehr guten Wohnlagen verkauft).
Das nur als Anstoß zu einer Diskussion um die aktuellen Immobilienpreise im Verhältnis zum Bodenrichtwert. Wer beim Kauf überhaupt nicht auf den Bodenrichtwert achtet, läuft m. E. aktuell wirklich Gefahr, Mondpreise für sein Eigenheim zu zahlen!