Mh interessante Diskussion. Ich würde den TE nicht gleich damit abkanzeln, dass er nicht führen kann. Das was er recht authentisch beschreibt ist ja ein Thema, das sich immer mal wieder auch in den Medien findet. Man kann sich (mal sehen wie lange das aber hier gesittet geht) nun über Maß und Mitte der Aussagen streiten.
Ich sehe folgendes Problem: Es unter den Wiwi-Akademiker-Stellen in Unternehmen zahlreiche, sehr zahlreiche Aufgaben, die wirklich relativ monoton und eintönig sind. Ich erfinde mal eine Zahl und sage 70%. Mag im Schnitt zu hoch sein, aber gerade wenn es um Einstiegsstellen geht ist es das vielleicht doch nicht.
Wenn man sich hier durch das Forum liest (und auch ich bin wohl ein Greis im Vergleich, dafür lese ich schon lange mit) bekommt man aber den Eindruck, dass sehr viele meinen, dass monotone Aufgaben Sache des niederen Fußvolkes sind und die Akademikerstellen für die anderen 30% der Aufgaben da sind.
Dass aus einer solchen verzerrten Wahrnehmung Konfliktpotential entsteht kann ich mir gut vorstellen. Dass das durch eine kluge Führungs- und Einstellungspolitik lösbar ist, kann ich mir ebenso vorstellen. Man kann aber fragen ob es nicht in diesem Sinne eine gute Idee des TE ist, mal nicht so einen der Mega-High-Potentials zu nehmen. Der ist vielleicht auch ganz anders motiviert und hat nicht die Einstellung "wenns mir hier nicht passt, weils nicht nach meinen Vorstellungen ist, dann geh ich eben wieder", sondern ist erst mal motiviert, weil er ne Chance bekommt sich zu beweisen, von der er erst mal nicht dachte, sie zu bekommen.
Was das ständige Hinterfragen angeht: Ich kenne das Problem (bin seit 5 Jahren im Job). Ich würde grundsätzlich DAX-Einkäufer zustimmen, dass die Ergebnisse oder die Qualität der Arbeit besser sein kann, wenn das Potential dazu da ist. Allerdings würde ich zu bedenken geben, dass der Grenznutzen eines zusätzlichen High-Potentials bei zunehmender Dichte solcher Leute im Team erst abnimmt und wenn der Anteil irgendwann gegen 100% geht, vielleicht auch negativ ist.
Das best durchdachteste Konzept ist nichts wert, wenn es nicht umgesetzt wird.
Ich habe es viel mit Programmierern zu tun. Mein Chef, ein Kollege und ich kommen aus dem Financebereich. Um es dazuzusagen: Ich bewege mich jetzt von diesem Potential-Gequatsche weg, aber ich denke der Vergleich ist nicht weit her geholt: Diese IT-Jungs sind aus meiner Sicht alles Nerds, die den ganzen tag die Matrix vor sich haben. Aber die sind auf ihrem Gebiet spitze! Aber in Meetings wird dann immer und immer wieder irgendwas gefragt, hinterfragt und spezifiziert und man könnte eine noch "elegantere" Lösung für das Problem finden...
Wenn mein Chef und (in kleinerem Rahmen mein Kollege und ich) nicht regelmäßig mal (in einer anderen Wortwahl) sagen würden "jungs, Eleganz ist uns scheiß egal, die Sache muss in 6 Wochen stehen! Und wenns im Jahr 2032 mal einen bug gibt, weil da Freitag der 13. auf einen Dienstag fällt, dann ist uns das erst mal wuppe!" dann würden die so lange vor sich hin konzeptualisieren und verbessern, dass wir bis 2031 immer noch mit dem alten System herumwuseln würden. Klar, dafür hätten wir danach was total tolles, weil wir ein dem greogorianischen kalender weit überlegenes Kalendersystem vom Mars verwenden würden. :)
Sprich: Wenn zu viele Leute irgendwas hinterfragen, dann steigt die Gefahr, dass am Ende nix bei raus kommt. Siehe EU Politik, wenn der Seitenhieb erlaubt ist.
Ich stimme dem TE also insofern zu, als dass ich konstatieren würde: Es fehlt den High-Potentials im Vergleich zum "durchschnittlichen Mitarbeiter" ein gesunder Pragmatismus. Das wird Akademikern ja per se im Vergleich zum Handwerker vorgeworfen. Vielleicht ist an der Stelle dann ein Grad erreicht, an dem man sagen muss: Stimmt.
Einfach mal fünf gerade sein lassen und das Ding machen. Mag sein, dass "der Durchschnittliche" die fünf gerade sein lässt, weil er es gar nicht anders kann. Aber, und damit komme ich zum letzten Punkt, wir reden hier ja über Berufseinsteiger. Wenn ich nur mal mich - ohne Führungsposition - nehme und sehe, was ich den letzten jahren so mitbekommen habe, dann kann ich sagen: Ich weiß, wie der Laden bei uns läuft. Ich weiß, wer in der Hierarchie wie tickt, mit welchen Aktionen man angrenzenden Fachbereichen ins Handwerk pfuscht und dortige Empfindlichkeiten stört und ich weiß, wie welche Kunden auf was reagieren. ich habe auch gesehen, dass das alles Konsequenzen hat, die sich vielleicht erst drei Projekte später in ein paar Jahren zeigen.
Mag ja sein, dass ein High-Potential Team die Weltformel findet und in unserer Abteilung alle Probleme des Unternehmens gelöst werden... dumm nur, wenn der Kunde von dem Produkt überfordert ist, drei Oberchefs aus Nachbarabteilungen plötzlich mal anrufen und sagen "so geht das nicht, da haben wir mal ein Wort mitzureden!" (sei es, weil es so ist oder sei es weil sie sich einfach gekränkt fühlen) oder dumm auch, wenn weiter oben in der Hierarchie einfach jemand keine Veränderung will. Ich könnte x weitere Probleme aufzeigen. Probleme freilich, die es im perfekten Unternehmen nicht gibt, weil natürlich der Obere und alle darunter sofort den Wert dieses tollen Produktes erkennen. Blöd nur, dass in einem Unternehmen auch und gerade an Führungspositionen menschen arbeiten, die ihre eigenen Befindlichkeiten haben. Es gibt keine idealen Unternehmen.
Dass ein Chef nicht jedem alles hinterfragenden HP einzeln alle Details erklären will, kann ich verstehen. Die Kurzversion ist dann (wann genau, darüber kann man streiten, sicher ist aber es gibt einen solchen Punkt und das ist auch gut so) eben "wir machen das jetzt so und gut!".
Anders mag es sein, wenn wir über berufs- und unternehmenserfahrene Highpotentials sprechen.
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