Viele unterscheiden hier nicht zwischen einfacher Automatisierung und echter KI-Unterstützung.
Ersteres geht im Grunde schon sehr lange, dazu müssen nur entsprechende Prozesse definiert werden und dann automatisiert werden.
Ein schönes Beispiel ist z.B. Eingangsrechnungsverarbeitung:
Der Rechnungssteller gibt mit der Rechnung nötige Kontierungsinformationen mit (z.B. die Bestellnummer), die kann digital z.B. in einem PDF hinterlegt werden. Beim Empfänger wird diese Rechnung dann voll automatisiert in den Workflow eingestellt, die relevanten Personen geben frei und anschließend wird sie verbucht. Am gesamten Prozess ist kein Buchhalter mehr beteiligt. Sowas ist mittlerweile Standard, entsprechende normierte Schnittstellen gibt es schon lange.
Aber: Das ganze ist "dumm", für diesen Prozess ist keinerlei Intelligenz nötig, es ist nur stupides Abarbeiten eines Prozesses.
Interessant und auch neu wird es, wenn echte KI dazukommt. Dort sind wir dann sehr schnell in den oft genannten Bewertungsthemen.
Ebenfalls ein Beispiel, Aktivierung von Leasinggegenständen nach IFRS 15:
Ich bin an der Stelle relativ gut in der Thematik drin, da ich selbst am Aufbau einer solchen KI für einen DAX Konzern vor etwa 3 Jahren beteiligt war. Hierbei geht es darum einen Leasingvertrag inhaltlich genau zu durchdringen und am Ende zu entscheiden, ob das Leasinggut aktiviert werden kann oder nicht. Das ganze rückwirkend auch für alte Verträge evtl. nur in Papierform. Vorgeschaltet ist also eine OCR-Software, die das ganze erstmal digitalisiert. Anschließend wird die KI darauf losgelassen, welche versucht den Vertrag inhaltlich zu "verstehen" um dann ihre Entscheidung treffen zu können. Problem dabei ist natürlich, dass solche Verträge im Grunde ja komplett frei gestaltet sein können. Es kann auch einfach nur ein Fließtext sein. Die KI ist in der Lage, die Verträge auf etwa 200 Themen zu prüfen und am Ende eine Entscheidung treffen zu können. Wir haben die KI dafür mit mehreren 10k Verträgen angelernt, also immer wieder über Verträge laufen und sich selbst verbessern lassen. Trefferquote nicht 100%, aber vergleichbar gut mit dem durchschnittlichen Buchhalter mit Spezialisierung in diesem Thema. Einsparung 80 Mitarbeiter, bezogen auf ein Projekt von 1 Jahr Dauer zur Beurteilung aller vorhandenen Leasingverträge. Im laufenden Betrieb dann natürlich deutlich weniger.
Das Ganze ist nur ein sehr enges Thema, aber es zeigt, was geht. Hier werden Spezialisten ersetzt, die sich in spezifischen IFRS-Thema gut auskennen, keine einfachen Buchhalter, die ein paar Zahlen eintippen.
Was diese Dinge betrifft sind wir erst am Anfang, da wird zukünftig sehr viel gehen, genauso natürlich in der Prüfung. Gerade dort, wo unter Zeitdruck Urteile gefällt werden müssen kann eine KI extrem hilfreich werden. Heutzutage wird das Problem umgangen, indem man oftmals nur Stichproben nimmt, zukünftig wird das nicht mehr nötig sein, da lässt man einfach die KI über das System los.
Ein riesen Vorteil von dem ganzen ist natürlich die Skalierbarkeit. Ein funktionierendes System kann genauso auch für andere Firmen genutzt werden. Es wird also absolut Sinn machen, die Buchhaltung an einen externen Anbieter zu geben, der dann wiederum 100te Kunden betreut. Theoretisch kann das dann auch wieder starken Einfluss auf die Prüfung haben: Die Systemprüfung muss dann nicht mehr pro Mandant, sondern nur noch pro Anbieter durchgeführt werden. Wenn das System für Mandant A korrekt arbeitet bzw. die Anforderungen erfüllt, tut es das auch für Mandant B, C, D, ....
Das ist jetzt sicherlich viel Zukunftsmusik dabei und auch einiges vereinfacht, aber diese Szenarien sind in keinster Weise abwegig, die sind schon aus heutiger Sicht und Technik absolut denkbar. Was mit der Technik in 10 oder 20 Jahren möglich ist, wissen wir noch gar nicht.
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