Da bisher niemand geantwortet hat, kommentiere ich mal ein bisschen.
WiWi Gast schrieb am 19.09.2023:
Der Titel ist etwas provokant, da Altersvorsorge natürlich ein wichtiges Thema ist. Allerdings denke ich, dass vor Allem in Deutschland zu viel und zu pessimistisch vorgesorgt wird, sodass das hier und jetzt etwas vernachlässigt wird und man sich in seinen besten Jahren nichts gönnt. Ich persönlich verfolge den Ansatz, dass es mir im Alter nicht besser gehen muss als jetzt.
Allgemein wird die gesetzliche Rente so 40% vom Nettoeinkommen betragen. Daher entsteht eine Rentenlücke von 60%.
Das ist schon mal kein Faktum, sondern deine Hypothese auf Basis der aktuellen Situation.
Fakt ist, dass bei einem Umlageverfahren eine entscheidende Größe das Verhältnis der Anzahl von Beitragszahlern und Leistungsempfängern ist. Und das verschiebt sich immer in Richtung der Letzteren. Es ist also reichlich optimistisch zu glauben, dass 40% als Rentenniveau dauerhaft zu halten sind.
Zweiter Fehler: bei einem Gutverdiener begrenzt die BBG die Anzahl möglicher Rentenpunkte und damit auch den Auszahlungsbetrag der Rente. Hier kann das Verhältnis aus Nettogehalt und erwarteter Rente bereits viel ungünstiger sein.
Allerdings braucht man im Rentenalter auch nicht die 100% seines Einkommens um sein Lebensstandard zu erhalten. Denn 10-20% des Einkommens benötigt man für die Kinder und die stehen in der Regel im Rentenalter auf eigene Beine. Wenn man dann noch sein Eigenheim abbezahlt hat, spart man weitere 20-30% ein. Kosten im Bezug zur Arbeit fallen für beide Partner weg.(Kfz, Sprit, Parken, Bahnticket, Berufsunfähigkeitsvers. etc.). Vermutlich wird man auch etwas weniger ausgehen und mehr Zuhause bleiben.
Das mag alles sein. Aber vielleicht hast du dann doch ein teures Hobby, hast mehr Zeit für ausgedehnte und häufigere (teure) Urlaube/Reisen, möchtest auch als Rentner mit einem Auto mobil sein usw.. Am Ende sind das natürlich individuelle Präferenzen. Außerdem kommen dann vielleicht schon die Enkel, denen man auch immer mal ein paar EUR zustecken möchte ;-)
Die eigentliche Lücke beträgt also höchstens 20%. Bei einem Netto Haushaltseinkommen von 6.500€ wären das 1.300€. Und die erhält man wenn man ab den 30ern monatlich 300-400€ in ein breit gestreuten Fonds investiert.
Sollte das alles nicht reichen, kann man im Apokalyspen Szenario auch sein Eigenheim verkaufen und in ein etwas kleineres Heim ziehen, wenn doch keine Kinder mehr zuhause sind.
Das unterstellt, dass die dann 20...40 Jahre alte Immobilie einen signifikant höheren Wert hat, als eine kleinere aber moderne (neue) Stadtwohnung. Sicher ist das nicht.
Außerdem sollte man die letzten Jahre vor der Rente bedenken. Evtl. ist das Eigenheim schon abbezahlt und die Kinder sind schon eigenständig. Sodass man jährlich noch mal extra 25k sparen kann.
Wo jetzt plötzlich nochmal 25k € zum Sparen herkommen, habe ich ehrlich gesagt nicht verstanden. Nicht jedes Paar hat ein äquivalentes HHK von 6.500€ um "mal eben" noch 2.000€ im Monat zu sparen.
Und auch in den ersten Jahren der Rente kann man zum Zeitvertreib noch etwas arbeiten. Also sollten alle Stricke reißen gibt es noch immer Lösungen. Daher sehe ich keinen Grund in meinen besten Jahren, auf guten Urlaub und auf mein Traumauto zu verzichten.
Die Ansprüche was ein "guter Urlaub" erfüllen muss, und die dafür notwendigen finanziellen Mittel sind ja durchaus individuell verschieden. Und mein Traumauto war früher auch anders, aber mittlerweile ist das ein großer Familienkombi mit möglichst viel Stauraum und einem Motor der mittleren Leistungsklasse und einem moderaten Verbrauch. Das bekommt man gebraucht auch für 30.000€ und hält dann im besten Fall 6 bis 10 Jahre.
Wenn ich mir anschaue wie einige Akademiker leben, sehe ich den Unterschied zu einfachen Arbeitern nicht. Ohne jmd. hier degradieren zu wollen. Aber ich frag mich was die Leute mit ihrer Kohle anstellen.
Bei mir ist es eigentlich andersrum (Fremdschäm) über Leute, die ihre Kohle erkennbar zum Fenster rausschmeißen: teure Autos, immer ein neues iPhone usw.
Meiner Meinung nach reicht es bei einem Haushaltseinkommen von um die 6k Netto, wenn man 300€ in Fonds investiert, sein Eigenheim kauft und dort dann vielleicht etwas mehr tilgt um noch vor der Rente durch zu sein und in der GKV bleibt. Alles andere ist halt nice to have, aber muss nicht. Und wer deutlich mehr als das macht, soll sich nicht beschweren wenn, der Nachbar öfter im Urlaub ist oder den dickeren Schlitten fährt.
Ich sag's mal so: Über Nachbar's Autos beschwere ich mich schon lange nicht mehr - oder hab ich noch nie gemacht. Im Gegenteil - als Aktionär deutscher Premium-Autohersteller freue ich mich über jeden neuen Mercedes und BMW auf deutschen Straßen.
Ganz generell sind die finanziellen Unabwägbarkeiten und Variablen über die hier zu betrachtenden Zeiträume von mehreren Jahrzehnten so stark, dass ich bewusst keine bereits heute "auf Kante genähte" Altersvorsorge betreiben möchte, sondern lieber deutlich mehr dafür tue. Ich lasse mich dann lieber positiv überraschen (-->kauf ich halt als Rentner einen Mercedes oder BMW) als negativ ("Mist, die Vorsorge war irgendwie doch zu knapp geplant").
Viel Eigenkapital verschafft schließlich Sicherheit und Flexibilität - um ggf. auch mit 62 oder 64 schon dem Arbeitsleben "Adieu" sagen zu können.
Das ist meine Meinung. Letztendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden, wieviel er bereits ist dafür aufzuwenden und entsprechend "im Heute" auch auf gewisse, nicht zwingend notwendige Dinge zu verzichten.
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