Dann werde ich mal versuchen, etwas von der Einkaufsseite beizusteuern. Vorab muss ich schon mal sagen, dass der Beruf "Einkäufer" eine sehr große Bandbreite hat - vom Bestellabwickler ohne bedeutende Verantwortung, über den Tchibo-Einkäufer, der möglichst günstige Haushaltsartikel in China sucht, bis hin zum strategischen Lieferantenentwickler, der heute schon plant, mit welchen Unternehmen in 5 Jahren Partnerschaften benötigt werden, damit man dann einen strategischen Vorteil gegenüber dem Wettbewerb hat. Dementsprechend hoch ist auch die Bandbreite bezüglich Gehalt, Reiseaufwand und variablem Anteil.
Grundsätzlich finde ich es gut, dass Du dich für Einkauf UND Vertrieb interessierst. Trotzdem sind die beiden Bereiche so unterschiedlich wie kaum etwas anderes. Der Vertrieb bearbeitet den Markt und meldet zurück, welche Mengen dort platziert werden können. Bei uns (Großkonzern) steht der Vertrieb unter hohem Druck, denn wenn die Mengen nicht kommen, verlieren wir schnell Marktanteile.
Im Einkauf hast Du keinen Einfluss auf die beschaffte Menge, sondern versuchst, das vorgegebene Volumen möglichst optimal (günstig, qualitativ, zuverlässig etc.) in einer Lieferantenlandschaft zu platzieren.
"Ich weiß, dass meine Stärken vor allem in der Interaktion mit Menschen liegen, kann gut mit ihnen umgehen und bin auch sehr extrovertiert und offen."
Das wird Dir im Berufsleben sehr helfen - aber in ALLEN Bereichen, nicht nur in Vertrieb und Einkauf. An Deiner Stelle würde ich mir zunächst mal gut überlegen, ob Du bei aller Offenheit auch durchsetzungsstark bist und hohe vorgegebene Ziele erreichst. Es kann nämlich sehr nett sein, mit einem Geschäftspartner ein wenig über das Wetter zu plaudern. Ihm dann die schlechten Neuigkeiten rüberzubringen, dass er einen wichtig Auftrag nicht bekommt, ist das schon weniger nett. Kannst Du das und willst Du das?
"Meine Bedenken im Einkauf: Wenig mit dem Menschen zu tun zu haben, sprich sehr viel auf Kosten achten, nur Zahlen Zahlen Zahlen, irgendwelche Kennzahlen Modelle etc.
persönliche Vorteile: Mehr Zeit, da man in der Regel nicht so viel arbeiten muss wie im Vertrieb und ein fixes Gehalt."
Trifft im Grunde zu. Du achtest auf Kosten und meldest Zahlen nach oben weiter. Gemessen wirst Du an Kennzahlen. Du hast zwar viel mit Menschen zu tun, aber das hast Du in den Bereichen Marketing, Controlling, Rechnungswesen, Strategie etc. auch. Der Unterschied im Einkauf: Es gibt mehr Konfliktgespräche mit externen Parteien, bei denen es ums Geld geht. Und die Ergebnisse werden genau gesteuert.
Ob das Thema "Mehr Zeit" stimmt, weiß ich nicht - die Reisetätigkeit hält sich allerdings in der Tat in realistischen Grenzen. Der Einkäufer hat zudem den Vorteil, dass er als Kunde den Besuchstermin vorgeben und notgedrungen auch mal kurzfristig verschieben kann. Der Vertriebler ist da leider weniger frei.
"Wie gesagt: Ich bin auf jeden Fall sehr extrovertriert, kann mit Menschen gut umgehen und mich auch gut verkaufen [Ich weiss hört sich meeeega ätzend an aber wir sind ja anonym ;) ] Ich finde aber auch, dass diese Eigenschaft ebenfalls zum Einkauf passt, sprich Verhandlungen zu führen um dort durch diese Soft-Skills punkten zu können."
Im Einkauf ist dies weniger wichtig, als viele denken. Man sollte keine grundlegenden Berührungsängste haben, aber ab einem gewissen Punkt brauche ich keine Soft Skills mehr, sondern eher trickreiches Verhandlungsgeschick und knallhartes Durchsetzungsvermögen. Das sind nicht unbedingt die Dinge, die als "Soft Skills" bekannt sind. ;) Mir ist jedenfalls keine Verhandlung in Erinnerung geblieben, in der ich für ein paar nette Worte plötzlich 10% Rabatt bekommen hätte.
Mein persönliches Fazit: Es hängt sehr von der Branche und den Eigenschaften des Produkts ab, wie Einkauf und Vertrieb arbeiten. Man kann nicht grundsätzlich sagen, dass der Vertriebler viel reist und der Einkäufer wenig. Und es bekommt auch nicht grundsätzlich der Vertriebler viel Provision und der Einkäufer gar keine. Soft Skills brauchst Du in beiden Funktionen (und in fast allen anderen auch). Und Druck von oben gibt es ebenfalls in beiden Funktionen.
Was mir persönlich am Einkauf sehr gefällt: Es ist eine der Schnittstellen des Unternehmens nach außen. Man sieht viele Mitarbeiter anderer Unternehmen und arbeitet nicht immer nur mit internen Kollegen zusammen. Das macht großen Spaß - und ist im Vertrieb sicherlich nicht anders.
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